19.09.2014

Man weiß nie, was sich ergibt im Leben


Eine bemerkenswerte, empfehlenswerte Aufführung im Kunstkabinett Hespert

"Paradiso" heißt der Titel des Stücks - paradiesisch geht es allerdings auf der Bühne nicht zu: Eine verbitterte, einsame Alte kämpft, faucht, beißt gegen eine Junge, weil diese noch jung ist. Weil diese noch ein Leben vor sich hat, sie selbst aber nur noch den Abstieg. Die Junge aber hat kein Mitleid mit der Alten. Sie fordert sie gnadenlos heraus. Respekt vor dem Alter ist ihr fremd. Beerben will sie die Alte. Will ihr Geld, ihre Wohnung, will ihre eigene Zukunft absichern mit dem baldigen Tod der Alten.



Die Basis des Stücks von Lida Winiewicz scheint hoffnungslos zu sein. Jung und alt scheinen sich gegenseitig auslöschen zu wollen.

Plötzlich aber fällt ein Satz, der alles verändert: " Man weiß nie, was sich ergibt im Leben". Die Alte spricht ihn fast teilnahmslos daher, so wie sie pausenlos zitiert aus dem Schatz ihres literarischen Wissens. Keine der beiden Frauen versteht zunächst, welches Wunder aus diesem Satz erblüht: Es geschieht tatsächlich etwas mit ihnen, mit ihrem Leben. Es weitet sich, öffnet sich - sie selbst weiten sich, öffnen sich der anderen. Sie beginnen, ihre Vergangenheit der anderen anzuvertrauen. Und aus diesem Vertrauen wächst Verstehen, wächst Liebe, wächst Treue. Die Junge steht für die gebrechliche Alte ein und umsorgt sie. Die Alte umgekehrt verschenkt ihr reiches Lebenswissen und ihre Lebenserfahrung an die Junge.

Anja Wienpahl hat das vielschichtige, empfindsame Stück behutsam inszeniert. Ihre Regie-Handschrift ist kaum sichtbar, dafür umso deutlicher spürbar. Mit Kirstin Kunze hat sie eine Traumbesetzung für die "Alte" gefunden. Die bekannte Pantomimin versteht es, ohne Worte ihr Gesicht leuchten zu lassen. Ihr Altersgesicht mit wunderbaren Runzeln und Falten kann von einem Moment auf den anderen jung , federnd, zukunftsneugierig werden. Sie versteht aber auch, ihr Gesicht am Ende verdämmern zu lassen. Heike Bänsch ist bereits körperlich das ideale Gegengewicht zu der Gebrechlichkeit des gealterten Menschen. Sie "steht im vollen Saft der Jugend" und spielt ihre jugendliche Dominanz voll aus bis zu dem Augenblick, da sie zu verstehen beginnt, was "Altwerden" wirklich heißt. Der gemeinsame Tango der beiden Schauspielerinnen ist ein Kabinettstück besonderer Qualität.

Das Stück wird jeden Zuschauer - ob alt und jung- berühren. Alle Jungen haben eine Mutter oder Großmutter und werden Parallelen finden zu dem, was diese sagen oder wie sie sind. Alle Älteren werden sich teilweise wiederfinden in der Gestalt der Kristin Kunze und dem Wechsel der Jahreszeiten des Lebens. Mir persönlich hat das Stück viel gegeben und ich wünsche dies auch allen Zuschauern der weiteren Aufführungen:
20./ 24./ 26. September jeweils 20 Uhr, 27. September, 18 Uhr und 8./ 10./ 11. Oktober jeweils 20 Uhr, im Kunstkabinett Hespert / Reichshof.

Gisela Kind

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Fotos und Film: Christian Melzer


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