04.07.2015

EINE STERNSTUNDE der wortlosen POESIE



Barfuß, mit weißem Gesicht und schwarz geschminkten Lippen und Augenbrauen betritt Milan Sladek die Bühne. Ernst und ruhig fixiert er sekundenlang sein Publikum. Dann breitet er mit einer ausladenden Bewegung die Arme aus, öffnet den Mund zu seinem weltberühmten tonlosen Lachen - und der Zauber seiner Persönlichkeit legt einen Schleier der Poesie und der Verwandlung auf die Zuschauer.


Coppy AGDO = Foto Arno Gerono / OTTEN

In seinem singenden Deutsch erklärt er einleitend die Grundzüge der tonlosen Kunst der Pantomime, die doch so sprechend ist und von jedem Menschen verstanden wird. Plötzlich versteht man, warum die Sprache Menschen und ihre Gefühle so oft trennt. Die pantomimische Kunst eines Milan Sladek ist "reine'" Sprache. Sie entspringt echten, wahren Gefühlen. Er selbst ist der Schöpfer seiner Kunst - zugleich aber auch sein einziges Material. Dieses Material muß er "kindlich rein" halten , bekennt er.

Und dann greift er zu einer voluminösen Stoffbahn , drapiert sie um seine schmale Gestalt und verwandelt sich in Pontius Pilatus, in Jesus, in Maria zu den Klängen des "Kreuzwegs" von Marcel Dupre´. Das Publikum lauscht atemlos der tonlosen Körpersprache Milan Sladeks, zweifelt mit Pilatus, leidet mit dem kreuztragenden Jesus , weint mit der Mutter Maria. Es gibt Momente im Theater, da man eigentlich nicht mehr klatschen möchte, weil man innerlich so stark berührt ist. Erst nach Minuten setzt der Beifall ein.


Coppy AGDO = Foto Arno Gerono / OTTEN

Im zweiten Teil dann begeistert Milan Sladek in seinem weltbekannten "Kefka-Kostüm". Seit jeher erzählt er mit seinem Körper vorwiegend die archaischen großen Geschichten der Antike und der Bibel. Die blitzschnellen Verwandlungen von der züchtigen, schönen Leda in den geilen, brünstigen Zeus waren ein Kabinettstück besonderen Formats - voller Wissen um die menschlichen Schwächen und die Komik unserer Liebesverlangens. Das Publikum erlebte eine Sternstunde der Poesie, der Weisheit und der Kunst.

Gisela Kind